Digitalisierung zum Anfassen – so geht es nach dem Checkup weiter

Eva Söhnlein, Geschäftsführerin der Geiger Gruppe, erklärt wie und an welchen Stellen in einem mittelständischen Unternehmen die Digitalisierung beginnen kann. Das Interview wurde im Rahmen der FUTUREDAYS 2019 aufgenommen.

Die Geiger Gruppe und die Ausgangslage

Wir stellen technische Kunststoffteile her und unser Produktspektrum geht über die eigentliche Herstellung der Teile hinaus. Wir fangen schon bei der Beratung vor der Werkzeugkonzeption an, erstellen dann die zugehörigen Werkzeuge, fertigen die Kunststoffteile und liefern diese dann teilweise bis zum Endkunden.

Unser „Headquarter“ ist in Nürnberg. Wir sind insgesamt drei unterschiedliche Unternehmen, beschäftigen uns aber mit den gleichen Themenfeldern und mit den gleichen Prozessen. Am Standort in Nürnberg haben wir in etwa 140 Mitarbeiter/-innen, an unserem Standort in Hiltpoltstein haben wir 80 Mitarbeiter/-innen.

Wie kam es dazu, dass Ihr einen externen Rat hinzu gezogen habt?

Es hat sich ergeben. Wir haben im Zuge unserer Vertriebsüberarbeitungen, also konkret über unsere Vertriebs-Prozesse am Website-Relaunch, gearbeitet – und in diesem Relaunch-Projekt das Thema Digitalisierung angesprochen. In dem Zusammenhang kam eben der Hinweis, medienreaktor könnte uns dabei unterstützen, was wir sehr, sehr gerne angenommen haben, weil wir uns selbst so unsicher waren. Es gab viele Fragen: Wie gehen wir denn das Thema jetzt an? Wo fangen wir denn an? Wie macht man das denn eigentlich richtig?

Digitalisierungs-Checkup

Ermitteln Sie den Stand der Digitalisierung in Ihrem Unternehmen und schaffen Sie damit die Grundlage, um diese gezielt voranzutreiben.

Willkommen im Jahr 2009 – wie geht man jetzt mit dem Ergebnis um? Habt Ihr so etwas erwartet?

Da freut man sich erstmal. Weil man als misstrauischer Franke und Pessimist ja davon ausgegangen ist, dass es wesentlich schlimmer wäre. Die gesamte Ergebnispräsentation und auch die Art der Handlungsempfehlungen bei uns sind sehr sehr gut aufgenommen worden.

Die Handlungsempfehlungen lösten eine hitzige Diskussion aus. Bei manchen Punkten haben wir uns total gefreut. Da haben wir uns gedacht: ja, da arbeiten wir schon dran, das sind Quick-Wins, die wir schnell umsetzen können. Wieder andere Punkte hat man halt als Unternehmer oder als Geschäftsführer ein bisschen anders gesehen als von außen.

Die Interviews haben uns wirklich extrem viel gebracht, auch wenn wir es sehr anonym gehalten haben, weil wir da erst merkten, wo wir eigentlich Mitstreiter für die Digitalisierung im Unternehmen haben. Vor allem waren das nicht selten Mitarbeiter, von denen wir das nie gedacht hätten. Wir konnten plötzlich Leute identifizieren, die Lust auf Veränderungen hatten. 

Diese Leute waren eigentlich ab dem Moment, wo Ihr wieder ins Auto gestiegen seid, schon heiß. Die standen schon da und haben gesagt: „Frau Söhnlein, wie machen wir jetzt da weiter, was passiert denn jetzt?“ Das war ein ganz, ganz großer Pluspunkt des Checkups.

Nun musstet Ihr eine Digitalstrategie entwickeln...

Wir haben uns selbst die Frage gestellt, was wir eigentlich mit Digitalisierung bezwecken wollen. Wir wollen es ja nicht machen, weil jeder darüber spricht und weil es jetzt gerade schick ist, sondern es muss unser Unternehmen weiterbringen. Dann war für uns relativ schnell klar, wie wir das Thema Digitalisierung nutzen wollen. 

Als großes Thema beschäftigt uns der Fachkräftemangel und diesem entgegenzuwirken oder ihn gar zu bewältigen. Wegen des Fachkräftsmangels muss ich immer schauen, wie ich die Leute ideal einsetze. Es geht nicht darum, jemanden zu ersetzen. Das wollen wir nicht. Wir sind ein Familienunternehmen. Und uns liegen unsere Mitarbeiter wirklich am Herzen. Das versuchen wir kontinuierlich ganz klar zu kommunizieren.

Ein anderer Punkt, den ich nicht unter den Tisch fallen lassen möchte, ist das Thema Produktqualität. Wir fertigen Teile für Bremssysteme, Airbags, oder in der Medizintechnik Teile für Apparate, die während der Operation dafür sorgen, dass Ihr Mann oder Ihre Frau oder Ihre Tochter wieder aus der Operation aufwachen. Wir haben in diesem Bereich keine Toleranz für Fehler oder für Fahrlässigkeit. Und auch dafür wollen wir eben die Digitalisierung nutzen, um die Produktqualität und die Prozessqualität weiter voranzutreiben. Unsere Null-Fehler-Philosophie wird immer einer unserer höchsten Ansprüche sein.

Die entscheidende Frage: Wo und Wie fängt man denn jetzt an?

Wir haben uns für einen Ansatz entschieden, der für uns im Unternehmen neu war. Deshalb sind wir eben nicht mit einem risikobasierten Ansatz an die Sache herangegangen, sondern wir haben uns ganz konkret herausgesucht, „wo sind denn Leute, die jetzt schon wirklich Bock drauf haben?“, die wirklich was machen wollen und wo sind Projekte, die man in einem überschaubaren Zeitraum zum Erfolg bringen kann. Wir wollten wirklich diesen klassischen Quick-Win.

Ich fange mit einem kleinen Team an. Ich brauche daher nicht Schnittstellen zu 17 anderen Abteilungsleitern. Ich fange da an, ich setze das auf, ich ziehe es durch, es führt zum Erfolg und alle anderen sehen, „ach schau her, es funktioniert tatsächlich“. Natürlich ist die Prämisse klar: es muss einen Mehrwert fürs Unternehmen bringen.

Wir haben dann relativ schnell vier unterschiedliche Projektteams ins Leben gerufen, die alle aus anderen Unternehmensbereichen kommen. Und das erste Projekt haben wir zwischenzeitlich schon komplett abgeschlossen. Das war ein Riesenerfolg. In unserer Fertigung hat die Logistik-Abteilung jetzt ihre eigene App und jeder hat seinen eigenen Scanner. Also es ist nicht wirklich ihre eigene App, sie ist jetzt customized für sie. Dadurch konnten sie vier Zettel abbauen, ihren Prozess beschleunigen sowie Fehllieferungen an die falsche Linie reduzieren. Das war echt so ein klassischer Quick-Win. Da waren die technischen Voraussetzungen schon relativ weit gegeben. Die Leute in der Logistik hatten Lust drauf und die haben das dann innerhalb von zehn Wochen tatsächlich mit dem Dienstleister umgesetzt.

Und was ist mit dem Geschäftsmodell?

Man muss das trennen. Man kann die digitale Transformation oder digitale Projekte nicht mit den gleichen Methoden bewerkstelligen wie das Tagesgeschäft.

Wir sind sehr qualitätsgetrieben und haben deshalb einige Sicherheitschecks im System. Wenn ich mit dem gleichen Perfektionismus-Anspruch an Transformationsprozesse oder Neuentwicklung von einem Geschäftsfeld rangehe, dann wird es nie etwas. Ich kann mich dann einfach nicht trauen, wirklich mal loszulegen. Da muss ich auch mal sagen, „hey kommt Leute, ja das ist jetzt noch nicht die 1000-Prozent-Lösung, aber da können wir schon mal ansetzen“.

Wir haben daher gesagt, wir möchten neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln, die auch ganz stark in die Bereiche Service und Schulungen reingehen. Aber das ist bei uns in unserer Hauptstrategie mit drin und nicht in der Digitalstrategie, um diese Nachverfolgbarkeit zu gewährleisten.

Digitalisierung ist nicht ein Hobby von ein paar Spinnern bei uns in der Firma, sondern es ist eine ernsthafte Arbeit. Es ist ein wichtiger Schritt für unsere Unternehmenszukunft und damit wir das immer ständig nachverfolgen können und diese Disziplin aufrecht erhalten, ist es sowohl in der Strategie als auch in den Unternehmenszielen fest verankert. 

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